Fachliches Wissen ist für die Beratung von Betroffenen wichtig. Deshalb ist eine der Säulen der Tätigkeiten der Fachstelle Zwangsheirat die wissenschaftliche Arbeit rund um das Phänomen Zwangsheirat. In diesem Sinne versteht sich unsere Organisation nicht nur als Beratungs-, sondern eben auch als Fachstelle.
Qualitative und quantitative Erfassung von Zwangsheirat in der Schweiz
In der Beratungspraxis zeigt sich, dass sich komplexe soziale Probleme wie Zwangsverheiratungen nicht mit Alltagstheorien erklären lassen. Es ist auch fraglich, ob ohne fundierte Kenntnisse effektive und nachhaltige Präventions- und Gegenmassnahmen entwickelt und eingesetzt werden können. Um Fehlschlüssen vorzubeugen und zur Schaffung einer fundierten Grundlage für das Vorgehen gegen Zwangsheiraten verfasst das interdisziplinär zusammengesetzte Team und wissenschaftliche Kuratorium der Fachstelle Zwangsheirat Berichte für Forschung und Praxis. Die Fachstelle kombiniert dabei die Erfahrungen aus der Beratungspraxis als auch die fachlichen Inputs und wissenschaftliche Expertise der Mitwirkenden. Siehe «Team» sowie «wissenschaftliches Kuratorium».
Seit Beginn der Beratungspraxis nimmt sich die Fachstelle Zwangsheirat auch Erhebungen in quantitativer Hinsicht vor. Mit den vielen bereits begleiteten Fällen (im Herbst 2020 über 2’750 Fälle) können wir auch bis zu einem bestimmten Grad eine Repräsentativität eruieren. Zudem bietet das Monitoring des Bundes, welches die Fachstelle Zwangsheirat seit 2015 koordiniert, weitere quantitative Einblicke. Im Übrigen gründen die in den Medien kursierenden Zahlen zumeist auf Schätzungen, die wissenschaftlichen Standards kaum genügen. In der Tat gibt es bisher in der Schweiz keine wissenschaftlich repräsentativen Zahlen zum Ausmass von Zwangsheiraten.
Die Aufklärungs-, Forschungs- und schliesslich Präventionsarbeiten im Bereich der häuslichen Gewalt dienen hier als Vorbild und Beispiel. Das ist ein weiterer Grund, weshalb die Fachstelle Zwangsheirat seit anfangs 2006 intensive Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit leistet. Zudem lassen sich erst dann, wenn Ursachen, Zusammenhänge und Abhängigkeiten erforscht sind, auch Annahmen formulieren, die mit standardisierten Erhebungsmethoden überprüft werden können. Diese Erkenntnisse werden laufend in unsere Projekte eingebaut.
Wissenschaftliche Publikationen
Als Zusammenschau von praktischer Fallerfahrung und wissenschaftlicher, konzeptueller Arbeit publiziert die Fachstelle im wissenschaftlichen Bereich. Dieser wissenschaftliche «Output» besteht aus Informations-Dossiers sowie Guidelines für Fachpersonen und einem wissenschaftlichen Teil, basierend auf empirischem Datenmaterial unserer Fachstelle und anderer Anlauf- und Beratungsstellen, sowie qualitativ geführten Interviews mit von Zwangsheirat Betroffenen und mit Fachpersonen verschiedener Schutzeinrichtungen und Beratungsstellen. Siehe auch «Publikationen».
Begleitung von wissenschaftlichen Arbeiten
Zwangsheirat ist nicht nur ein beliebtes Thema der Medien, sondern eignet sich auch für Matura-, Seminar-, Diplom-, Bachelor- und Masterarbeiten. Viele Interessierte stossen bei ihren Recherchen auf unsere Website und einige Schüler*innen, Studierende oder Lernende nehmen Kontakt mit der Fachstelle Zwangsheirat auf. Auf Wunsch geben wir Interviews und bei umfangreicheren Arbeiten auch weiterführende Begleitung. Damit wollen wir die Forschenden zu einer möglichst vorurteilslosen und differenzierten Herangehensweise an ihre Untersuchung motivieren und sie darin auch unterstützen. Zurzeit erhalten wir durchschnittlich zwei Anfragen pro Woche.
Last but not least gehört zur Sozialforschung stets auch die interkulturelle und Sozialkompetenz – vor allem, wenn man in Kontakt mit Betroffenen treten will. Auch hierzu können wir Interessierten Auskunft erteilen.
Falls Sie zwecks Begleitung einer wissenschaftlichen Arbeit zum Thema Zwangsheirat mit uns Kontakt aufnehmen möchten, empfehlen wir für die Vorbereitung eines allfälligen späteren Gesprächs mit uns die Lektüre dieser Website.
Gerne unterstützen wir auch Ihre Arbeit. Nehmen Sie mit uns Kontaktauf.